Zweite Chance für Schulfreundschaften

StayFriends: Frau Fischer, warum werden wir eigentlich nach Jahrzehnten der Funkstille neugierig auf Menschen, die uns einmal nahe standen?
Eszter Fischer: Wenn man in der Mitte des Lebens steht, ist man nicht mehr so sehr mit sich selbst beschäftigt. Man hat viel erlebt. Wenn wir das Leben einmal als Roman betrachten, dann steckt der am Kontakt Interessierte meist im dritten oder vierten Kapitel und will wissen, wie die Fortsetzung des gemeinsam erlebten ersten Kapitels bei anderen aussieht.
Trotzdem bleibt es oft beim Wunsch "weiterzulesen". Woran liegt das?
Zunächst einmal: Es lohnt sich nicht, den Wunsch lange mit sich herumzutragen und abzuwarten. Besser ist es, auszuprobieren, ob man eine Antwort bekommt. Die Angst vor Ablehnung beispielsweise ist ein schlechter Berater. Wenn man nichts vom anderen hört, dann liegt das in den seltensten Fällen an der eigenen Persönlichkeit. Dafür gibt es tausend Gründe. Und es ist auch kein "Hinterherrennen", wenn man sich zu seinem Interesse am anderen bekennt. Wie gesagt: So groß ist das Wagnis nicht.
Worauf sollte man bei der Kontaktaufnahme achten?
Meist kommt gut an, wenn man klar und ehrlich sagt, woran man interessiert ist. Zu vorsichtige Anfragen, die Unsicherheit vermitteln, wirken unangenehm, allzu fordernde Eröffnungen á la "Ich möchte unsere Freundschaft wiederbeleben" schrecken ab. Besser man findet verbindende Worte und sagt, dass man hören will, wie es dem anderen geht und schlägt einen Mailaustausch vor.
Gibt es etwas, was man am Anfang unbedingt vermeiden sollte?
Ja. Weder sollte der frühere Freund mit Problemen, wie einer schweren Krankheit, überrannt werden, noch sollte man mit Erreichtem prahlen.
Welchen Rat geben sie allen, die das erste Wiedersehen planen?
Stecken Sie ein paar Fotos ein, von damals und aus Ihrem Leben heute, und begegnen Sie einander offen und ohne übersteigerte Erwartungen. Ganz wichtig: Das erste Treffen lieber knapp planen. Ein ganzes Wochenende mit Übernachtung kann zu viel sein. Da hat man sich vielleicht am ersten Abend gut unterhalten und merkt am nächsten Morgen, dass die Luft raus ist und man ist immer noch da. Ich empfehle, für das erste Treffen drei, höchstens vier Stunden einzuplanen.
Eine Frage zum Schluss: Warum erleben die meisten Jugendfreundschaften als intensiver als Freundschaften, die in späteren Jahren geschlossen werden?
Die Intimität von Jugendfreundschaften ergibt sich in Freundschaften späterer Lebensphasen nur selten. Man hat einfach nicht mehr die Zeit, alles ausführlich und stundenlang zu besprechen. Diese Intensität ist der Jugend vorbehalten. Wenn man die Freundschaft neu aufnimmt, sollte man das berücksichtigen. Die alte Vertrautheit ist nicht immer und vor allem nicht sofort ins Heute übertragbar. Meist wächst etwas Neues auf dem gut bestellten Boden einer Jugendfreundschaft.